Eintrag Nr. 3: Wie Silvester die Erde eroberte

Der Jahreswechsel ist eine Zeit voller Traditionen – und manchmal auch Missverständnisse. Doch was hat das alles mit Tee und einem intergalaktischen Ereignis zu tun? Finde es heraus!

Als ich meinen ersten Jahreswechsel auf diesem wunderschönen Planeten erlebte, war ich erstaunt, wie dieser hier zelebriert wird. Mit einem lauten Knall. Die Idee, Plasmaspektrale Wesen – also Geister – aus dem alten Jahr zu vertreiben, ist durchaus nachvollziehbar und sogar ziemlich interessant. Aber warum werfen Menschen dabei Sprengstoff auf andere Lebewesen? Und warum schaffen sie es jedes Jahr aufs Neue, sich Gliedmaßen wegzusprengen? Nach meinem Wissen wachsen diese nicht einfach nach, oder irre ich mich da?

Ihr müsst verstehen, dass ich – als jemand, der von einer Welt stammt, auf der Tee heilig ist und Knalltee in geringen Maßen kaum mehr als ein spaßiges Kinderspielzeug darstellt – völlig überwältigt war, als ich eure pyrotechnischen Traditionen zum ersten Mal beobachtet habe. Ich meine, ihr macht daraus regelrechte Lichtspektakel!

Auf meiner Heimatwelt läuft das Ganze ein wenig anders ab. Dort wird der letzte Aufguss des Jahres mit dem des ersten Aufgusses des neuen Jahres vermischt. Wir nennen den Tee „Jahrestee“, und er symbolisiert den Übergang zwischen Alt und Neu. Außerdem entfachen wir das große Feuer des großen Teekessels und teilen es unter uns auf, damit unser Tee alle vom gleichen Feuer genährt wird. Klingt langweilig? Ja, ist es auch. Aber der Tee schmeckt ziemlich gut, und niemand verliert dabei einen Arm. Außer das eine Mal – aber das war wirklich eine Ausnahme. Wirklich!

Auf der Erde ist das ganz anders. Zugegeben, ein richtiger Knall kann schon aufregend sein, aber warum in solch einem Ausmaß? Ich habe den Verdacht, dass die Menschen das Konzept von Balance noch nicht ganz durchdrungen haben.

Doch wie kam es überhaupt dazu, dass der Jahreswechsel hier zu einem regelrechten Wettkampf der Explosionen wurde? Die Antwort liegt – wie so oft – in einem Missverständnis von intergalaktischen Dimensionen. Tatsächlich war es der Absturz des Teefrachtraumschiffs Silvester (was übersetzt „Gelbes Ei“ bedeutet) am 31. Dezember, der den Ursprung eurer Tradition markiert.

Die Besatzung der Silvester war eigentlich nicht für Handel zuständig – sie waren Forscher, Teeforscher, um genau zu sein, die die Wirkung von Knalltee auf verschiedene Spezies untersuchen wollten. Ihr Plan war es, die Dinosaurier zu beobachten und zu sehen, wie Knalltee bei ihnen ankommt. Dumm nur, dass diese längst ausgestorben waren. Hätten sie das im Reiseführer vermerkt, hätte ich mich damals natürlich nicht als Dinosaurier verkleidet. Ein peinlicher Moment, aber die Geschichte hatte ich ja schon im ersten Eintrag kurz angerissen.

Da sie auf dem örtlichen Haus für alkoholische Getränke abstürzten, versuchten die Teeforscher, ihre Ankunft zu retten, indem sie zum universellen Mittel der Konfliktlösung griffen: einem Tanzbattle. Ihre eleganten Moves, die in der Galaxie hoch angesehen sind, wirkten auf die Menschen allerdings wie Kriegstänze. Das Ergebnis: Furcht und absolute Verwirrung. Dann versuchte die Besatzung, ein riesiges galaktisches Notsignal zu senden – indem sie das erste Feuerwerk der Erdgeschichte entzündete. Die Menschen jedoch hielten es für den Auftakt einer göttlichen Feier und zündeten begeistert mit der gefundenen Ladung Knalltee (ihr nennt es Schwarzpulver) eigene Feuerwerke. Zack und Boom – eine Tradition war geboren.

So wurde der 31. Dezember für die Menschen zum Tag, an dem der Himmel brannte. Ein Tag, an dem alles anders wurde. Sie beschlossen, fortan dem Universum jedes Jahr aufs Neue zu zeigen: „Seht her, hier geht ’ne richtig geile Party ab!“ Dabei würde ein einfacher Gruß-Tee vermutlich vollkommen ausreichen. Typisch Menschen.

Nach und nach wurde der Tag danach zum Anfang eines neuen Jahres und löste damit den 1. März als Jahresbeginn ab – was, wenn wir ehrlich sind, wirklich erstaunlich ist. Ich meine, ihr schlagt euch doch viel lieber die Köpfe ein, als Tanzbattles abzuhalten, oder? Der März, der Monat eures Kriegsgottes Mars, hätte doch perfekt zu eurer aufblühenden Frühlings-Kriegslust gepasst, oder? Aber nein, stattdessen habt ihr euch für einen frostigen Januar entschieden, und an diesem ganzen kalendarischen Wirrwarr ist nur der Teefrachter Silvester schuld. Ja, das Universum ist schon ein seltsamer Ort.

Aber das Jahr im März zu beginnen, hätte immerhin die Jahreszeitenlogik und die Symbolik als Frühling für einen Neuanfang eurer Nordhalbkugel ein wenig gestützt. Aber nein, stattdessen habt ihr beschlossen, die Dinge noch verwirrender zu machen. Warum der September der Siebte heißen soll, darüber könnte ich stundenlang grübeln. Und Oktober, November und Dezember? Irgendwie hat niemand bemerkt, dass ihr bei der Nummerierung irgendwann eingeschlafen seid, oder? Dank Männern wie Caesar und Augustus, die ihre eigenen Egos in den Kalender einbauen mussten, wurde alles noch verwirrender. Das Thema ist so verwirrend wie die Frage, warum die reichsten Menschen am wenigsten Steuern zahlen. Ihr Menschen seid wirklich eigenartige Geschöpfe – aber ich mag euch – ganz ehrlich!

Aber Feuerwerke sind ja eigentlich ganz hübsch und schön anzusehen. Aber was sind diese Böller eigentlich? Die sind weder schön noch irgendwie magisch. Sie sind einfach zerstörerisch. Warum Menschen Geld in die Hand nehmen, nur um am Ende keine Hand mehr zu haben, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben. Dabei habt ihr so schöne Traditionen erfunden, wie das Gießen von Formen oder das Schauen einer historischen Dokumentation über eine alte Dame, ihren Butler und einen müden Tiger. Außerdem habt ihr diese spannenden Vorsätze – ganze Leben werden umgestellt – von heute auf morgen! Auf meiner Heimatwelt fassen wir keine Vorsätze, die nicht direkt in die Teetasse passen. Zum Beispiel: Mehr Tee trinken. Weniger Tee verschütten. Einfach. Effektiv. Lecker.

Aber ich habe beschlossen, dieses Jahr eure Traditionen zu ehren und mich ebenfalls an etwas Neuem zu versuchen. Ich werde ein ganz neues Alien sein und alles zum Guten verändern. Zumindest für die ersten Wochen des Jahres. Traditionen sind schließlich Traditionen. Aber bitte spart euch eure Sprüche wie „Nur noch einmal duschen dieses Jahr“ – und worin wollt ihr eigentlich alle rutschen? Wohin ist eigentlich zu weit gerutscht?

An meinen letzten 31. Dezember erinnere ich mich noch gut – ein wenig schmerzlich, um ehrlich zu sein. Die Farbe Grün, ein schönes Lächeln und ein haariger Vierbeiner spielten dabei eine wichtige Rolle, aber ich habe keine Ahnung, wie die Weltraummonchis es geschafft haben, gleichzeitig das Feuerwerk und meine Kleidung in Brand zu setzen. Vermutlich hatten sie Hilfe von diesem mysteriösen Ding namens „Schwerkraft“.

Was ich eigentlich sagen wollte: Ich wünsche euch allen einen guten Übergang ins Jahr 2025! Lasst es euch alle gut gehen! Wenn jemand zu meiner Teeparty kommen möchte, ist er oder sie herzlich willkommen – sogar Schnabeltiere. Aber wehe, ihr klaut wieder meine Zimtschnecken. Keine Sorge, bei mir explodiert höchstens der Geschmack – und selbst das bleibt im Mund. Aber hey, Feuerlöscher stehen trotzdem bereit, man weiß ja nie!


Anmerkung:
Knalltee ist gar nicht so leicht zuzubereiten. Der Tee entzündet sich selbst, wenn er zu heiß wird. Außerdem wird er mit einer Zange serviert und in speziell entwickelten Schalen, da er gewöhnliches Porzellan der Erde ziemlich schnell durchbrennt.

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